Vereinskamerad Enno Träger sollte am Freitag als Schiedsrichter den ersten Auftritt des neuen Kickers-Teams in Emden leiten. Es wäre seine Premiere als Schiri eines Kickers-Spiels gewesen.



Leer, 05.07.2023 - Als Schiedsrichter Enno Träger am Samstag um 15.30 Uhr das Fußballspiel zwischen den Traditionsmannschaften von Kickers Emden und Schalke 04 anpfeifen wollte, marschierte der Emder Stadtsportbundvorsitzende Peter Bartsch mit einem Mikro in der Hand aufs Feld. Plötzlich richteten sich die Augen der 400 Zuschauer nicht auf die Schalker Ex-Nationalspieler Olaf Thon oder Matthias Herget. Bartsch ehrte den 20-jährigen Spielleiter des SC 04 Leer für sein Engagement. Der junge Mann wird sich nämlich für knapp zwei Wochen vom Fußballplatz zurückziehen, weil er sich für eine wichtigere Aufgabe entschieden hat. Enno Träger begibt sich in eine Kölner Klinik, um als Stammzellenspender möglicherweise das Leben eines leukämiekranken Menschen zu retten.

Dafür verzichtet der Bezirksliga-Unparteiische am kommenden Freitag auf eine besondere Premiere. „Ich sollte erstmals ein Spiel von Kickers Emden pfeifen“, erzählt er. „Das ist natürlich ein Erlebnis, das man gerne mitnehmen würde.“ Die Emder treffen am Freitag bei der 50. Sportwoche des SV Wybelsum auf eine Emder Stadtauswahl. Der erste Auftritt in Emden nach dem Kickers-Neustart mit der so ambitionierten Mannschaft wird vermutlich für eine große Kulisse sorgen. Enno Träger aber muss nun passen. Da brauchte er keine Sekunde zu überlegen. Er verzichtet auf die Leitung der so attraktiven Begegnung vor gewiss mehreren Hundert Zuschauern. „Es geht um ein Menschenleben. Da ist so ein Fußballspiel nebensächlich.“

Die Stammzellenspende ist zwar erst für kommende Woche geplant, aber zur Vorbereitung gehört eine Medikamenten-Einnahme. „Ich muss mir täglich selber ein Mittel spritzen, damit sich meine Stammzellen vermehren“, sagt der Jungschiedsrichter. Während dieser Zeit wird von körperliche Anstrengungen strikt abgeraten.

Also erfolgte für Enno Träger der Abpfiff des Kickers-Spiels schon eine Woche vor dem Anpfiff. Als kleine Entschädigung für die verpasste Partie und als Dankeschön für die bemerkenswerte Einstellung in so jungem Alter überreichte Peter Bartsch in Borssum dem Schiedsrichtertalent für die Sportregion Ostfriesland eine Urkunde und ein Sachgeschenk. Zugleich sprach ihm der Emder Stadtsportbundvorsitzende im Namen des Niedersächsischen Fußballbundes die Einladung zu einem Heimspiel von Zweitligist Hannover 96 aus. „Ich war total überrascht von dieser Auszeichnung“, sagt der Geehrte. „Ich hatte wirklich keine Ahnung davon.“

Für Träger, der selber beim VfR Heisfelde Fußball spielt und sich dort auch als Jugendbetreuer engagiert, ist die Stammzellenspende eine Selbstverständlichkeit. Der Physiotherapieschüler des Leeraner Klinikums hatte sich schon vor langer Zeit typisieren lassen. „Vor ein paar Wochen erhielt ich dann einen Anruf, dass ich möglicherweise als Spender in Frage komme.“

Nach einer folgenden Blutuntersuchung stellte sich heraus, dass seine DNA perfekt zum Leukämiepatienten passt. „Da habe ich direkt zugesagt.“ So begibt sich Enno Träger in der kommenden Woche für zwei Tage nach Köln. Anschließend muss er noch mindestens eine Woche auf sein sportliches Hobby verzichten, ehe er mit der Pfeife aufs Feld zurückkehren wird.

Für die Möglichkeit, einem todkranken Menschen helfen zu können, nimmt er die kurze Auszeit auf dem Fußballfeld gerne in Kauf. Bei seinem Engagement hat er auch mindestens einen berühmten Ostfriesen zum Vorbild: Der aus Norden stammende ehemalige Werder-Stürmer Lennart Thy verpasste vor fünf Jahren aufgrund einer Stammzellenspende eine Partie seines damaligen Vereins VV Venlo gegen den PSV Eindhoven. In der niederländischen Ehrendivision wurde er daraufhin zum „Man of the Match“ gekürt, obwohl er gar nicht auf dem Rasen gestanden hatte. Zudem erhielt er anschließend den FIFA-Fair-Play-Award.

Sein Vater Olav Görnert-Thy ist seit Jahren in der Sportregion Ostfriesland als Referent für den Landessportbund tätig und weiß um die öffentliche Nachwirkung der damaligen Aktion seines Sohnes: „Nach dem Engagement von Lennart haben sich damals in den Niederlanden rund 20.000 Personen typisieren lassen.“

Vielleicht kann ja auch Enno Träger den ein oder anderen Menschen dazu bewegen, sich nun typisieren zu lassen. Vor allem aber hofft er, dass er mit seinen Stammzellen dem ihm unbekannten Leukämie-Patienten möglicherweise das Leben retten kann.

Autor: Georg Lilienthal

Danke, Georg Lilienthal, dass Du uns Deinen Text zur Verfügung gestellt hast. Klasse!